Lofoten

Es ist gut was los auf der Fähre. Wir kommen an dem Ort Reine vorbei und machen ein Selfie vor der spektakulären Kulisse. Die berühmte Wanderung auf den Berg Reinebringen sparen wir uns. Es ist viel zu viel los. Schon auf den ersten Kilometern hier merken wir den krassen Unterschied zur bisherigen Tour. Wir befinden uns auf einer Inselgruppe, der Platz ist begrenzt, es herrscht Betriebsamkeit, viel Verkehr, jede Parkbucht ist vollgestellt. Obwohl schon die ersten Meter landschaftlich so schön sind, sind wir etwas erschlagen.

Wir fahren weiter, an einigen Sandstränden! vorbei. Auf dem Weg zum ersten Campingplatz machen wir 3000 km voll. Wir wählen einen Platz aus, der ganz chillig daherkommt und Lofoten Beach Camp heißt. Ein Surfer Camp mit Beachbar, Surfschule vielen alten VW Bussen und wär da nicht die Temperatur (kühl) könnte er in Südfrankreich sein. Der Chef sagt: Sucht euch einen Platz, wenn ihr Feuer machen wollt, nutzt bitte die alten Feuerstellen. Dabei rührt er sich weder aus seinem mit Lammfell belegten Sessel, noch hebt er die Füße vom Hocker. Wir stellen unser Zelt ganz am Ende der Sandbucht auf und beschließen, zwei Nächte zu bleiben. Es wirkt fast so als ob wir wild stehen.

Am nächsten Tag radeln wir ohne Gepäck in Richtung des Berges Ryten. Am Einstieg des Fußpfades stellen wir unsere Räder ab und machen uns mit einigen anderen Tourist:innen auf den Weg. Unter anderem ein ca. 30 Jahre jüngeres Pärchen im perfekten Partnerlook Bergwanderoutfit: Leggings, Schuhe, Jacken alles vom Feinsten. Die Beiden überholen uns schon auf den ersten 30 Minuten im Anstieg mit einem wohlwollenden mitleidigen Lächeln und mit den vermeintlichen Gedanken: „wir sind schneller als ihr, aber auch jünger“. Auf halber Höhe können wir auf die schönen Sandstrände von Kvalvika schauen. Auf 3/4 des Anstieges kommen einige Passagen, die mit Ketten gesichert sind.  Das hat aber eine Hundefamilie mit den zwei Kurzhaardackeln Joko und Sepp nicht abgehalten. Während wir weiter gleichmäßig Richtung Gipfel unterwegs sind, treffen wir das junge Paar wieder. Völlig erschöpft rasten sie im Nebel. Der Gipfel ist leider auch im Nebel und erinnert uns an unsere Nebel-Wanderung auf den Ben Nevis in Schottland. Auf dem Weg nach unten machen wir typische gestellte Fotos. Wir treffen nochmals das „super“ Wanderpärchen. Christian kommt ein wohlwollendes: „only 20 minutes to go“ über die Lippen. Was natürlich nicht stimmt. Sie sind schon fünf Minuten vor dem Gipfel. 


Am Abend essen wir Lofoten-Lachs, aus den hiesigen Zuchtfarmen. So richtig wissen wir nicht, was wir davon halten sollen, aber es ist zumindest lokal, gesund und sehr lecker. Abends geht es dann in die erste Sauna unserer Reise. Sie ist ziemlich spektakulär: Blick auf das Meer und all die Menschen, die nach dem Saunagang zum Strand sprinten, um sich im frischen Atlantik abzukühlen. By the way: es ist eine Textilsauna. Mit trinkfesten Lett:innen sind wir dann in der Sauna und lassen es uns auch nicht nehmen, nach jedem Gang ins Meer zu hüpfen. Welch wunderbare Gelegenheit.

Sauna

Wir fahren weiter: begeistert von der Landschaft, etwas getrübt durch den Tourismus.

Dann klackert bei einer Abfahrt plötzlich etwas höllisch laut an Barbaras Fahrrad. Eine Speiche ist gebrochen. Die Straße ist eng, Barbara schiebt ihr Fahrrad bis zur nächsten Parkbucht. Nervosität kommt auf, denn wir sind 20 km von der nächsten Kleinstadt entfernt. Wir haben Ersatzspeichen dabei aber die gebrochene Speiche sitzt am Zahnkranz. Wir brauchen Spezialwerkzeug zum Abbau des Zahnkranzes. Mist. Christian telefoniert mit Carlos von Rockers, „unserer“ Fahrradwerkstatt in Bochum. Nach einigem Fachgesimpel und der Beurteilung des Schlages entscheiden wir uns weiter zu fahren. Barbara checkt aus ob es in der Nähe eine Werkstatt gibt. Schließlich kleben wir die gebrochene Speiche fest und fahren noch 20 km weiter bis Lekness. Bei Google finden wir nur einen Intersport. Vor Ort lassen die uns ziemlich abblitzen und rühren keinen Finger. Auch verkaufen sie uns kein Werkzeug und verleihen es schon gar nicht. Beim Rausgehen aus dem Geschäft überlegt Christian kurz ob er in den Sattel des Werkstattmeisters einsticht, damit der Sattel sich bei Regen immer vollsaugt und der meister immer einen nassen Hintern hat. Christian lässt es und bittet nochmals um Hilfe. Wir sollen im hiesigen Outdoorladen fragen. Verzweifelt fahren wir dorthin und fragen den Verkäufer Børne ob er uns helfen kann. Tataa, „Yes i can do this for you, no problem“ ich kann’s kaum glauben: versteckt hinter Regalen voll mit FJÄLLRÄVEN und anderen Outdoormarken ist eine kleine Fahrradwerkstatt zu finden. Wenn ich das Rad ausbaue, sagt er, sind wir gleich fertig. Und so ist es dann auch. Børne fixed the problem in 10 minutes, changed also a wire und es kann weitergehen. Smart ist übrigens, dass wir Ersatzspeichen dabeihaben. Er sagt, schwierig ist es manchmal, die richtige Speiche zu finden. Kaum haben wir bezahlt, halten die nächsten Radlerinnen vor der Tür und bitten um Hilfe.

Fazit: das ging ja fast reibungslos! Barbara ist froh, außerdem freut sie sich über ihr Radl und gesteht ihm nach 27.500 km insgesamt und 3.000 Nordkapp-Tourkilometern mit viel Gepäck solch einen Schaden zu. 

Das nächste Highlight der Lofoten steht an. Wir erreichen das kleine Fischerdorf Henningsvær. Es wird auch als „Venedig des Nordens“ bezeichnet, weil es einen ursprünglichen Charme besitzt und rundherum von Wasser umgeben ist. Bunte Wohn- und Geschäftshäuser, kleine Cafés und Werkstätten bilden den Kern des Ortes, der von beeindruckenden Trockengerüsten für Stockfisch umgeben ist. Durch die Lufttrocknung soll der Fisch länger haltbar gemacht werden. Zum Trocknen auf den Trockengerüsten sind unter anderem Dorsch, Seelachs oder Schellfisch geeignet. Wir sehen nur die leeren Gerüste, da der Fisch schon abgenommen wurde. Natürlich probieren wir die gesunde Köstlichkeit! Wir schauen uns auch den spektakulär gelegenen Fußballplatz an und besuchen ein kleines Kunstmuseum.

Auf den Lofoten suchen wir uns zum Übernachten Campingplätze. Dabei finden wir zufällig auch diesen Platz. Wir sind ganz entzückt.

Es sind noch einige Radltage bis Tromsø. Von dort haben wir Flüge nach Deutschland, um zur Beerdigung von Christians Bruder zu kommen. Hier in der Polarregion tickt alles ein bisschen anders. Es gibt überall kleine Flugplätze, aber das Flugzeug geht nur einmal in der Woche, der Bus fährt zweimal am Tag und nimmt Fahrräder nur mit, wenn die Busfahrerin oder der Busfahrer ein Auge zudrückt.

Über die Internetplattform Warmshowers, einer Radfahrer:innen Community haben wir Kontakt zu Bonnie und Basil aus Tromsø aufgenommen. Sie werden uns aufnehmen und unsere Räder können dort parken. Das bedeutet allerdings einen strammen Tourenplan für die nächsten Tage.

Christian beschäftigt sich viel in seinen Gedanken mit seinem Bruder und telefoniert täglich mit seiner Schwester. Franzis Tod lässt sie noch näher zusammenrücken.

Barbara kümmert sich rührend um Christian. Jeder, der uns als Paar schon erlebt hat, kann sich wohl eine Barbara mit: „So, du isst jetzt mal was, hier dein Tee“ und: „Magst noch a Schokolade?“ kaum vorstellen. Aber es gibt sie. Flüge, Walsafari, Unterkunft, Route, Essen….. Barbara kümmert sich um alles.

Die tägliche Routine, Zeltaufbau und -abbau, Fahrrad packen und die schier unglaubliche Landschaft tun Christian sehr gut. Es hilft und lindert den Schmerz.

Dann passiert Barbara ein Faupax. Aufgrund von Christians Orientierungslosigkeit macht sie schon die ganze Zeit die Routenplanung und die Navigation. Sie fährt voran, auf einen Tunnel zu. Er ist fast 3,5 km lang und das Herausfordernde ist, dass er unter dem Meer entlang führt. Das bedeutet, dass wir nach einer rauschenden Abfahrt ganz schön weit hochstrampeln müssen. Naja, wir schaffen das natürlich. Auf der anderen Seite bemerkt Barbara, dass wir in die falsche Richtung gefahren sind. Wir hätten vor dem Tunnel abbiegen müssen, um eine Fähre in eine andere Richtung zu bekommen. Wir müssen also wieder zurück und nochmal im Tunnel hoch.  

Barbara ärgert sich über diesen Fehler, diese blöden zusätzlichen Höhenmeter! Christian nimmt es hin. 

Vesterålen

Wir radeln und radeln über die Lofoten und die folgende Inselgruppe, die Vesteralen, bewundern die Berge, das Meer, die zahlreichen Buchten mit Sandstränden und türkisfarbenem Wasser. Am Wegesrand diesmal auch noch Schweine!

Schon in den 90ern, als Christian mit dem Motorrad in Norwegen unterwegs war, wollte er unbedingt ein „whale watching“ unternehmen. Leider ging damals das Geld aus. Eine „Spende“ an den norwegischen Staat wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 6 km/h hatte das Urlaubsbudget so ruiniert, dass eine Walbeobachtungstour nicht mehr drin war.

Im Moment ist es Christian egal ob wir die Waltour machen oder nicht. Aber die Navigatorin plant um, checkt Unterkünfte und Anbieter und findet eine Möglichkeit die Waltour unterzubringen.

Und so sind wir auf dem Weg nach Andenes, dem Zentrum der norwegischen Walforschung und Mekka der Meeresbiolog:innen.

Kurz vor Andenes finden wir einen Zeltplatz in den Dünen. Im Supermarkt kurz vorher kaufen wir eine Dose Fiskeboller, die traditionell mit Kartoffelbrei und weißer Sauce gegessen werden. Die Verkäuferin, sie ähnelte Linnea sehr, berät uns und drückt uns nachdrücklich eine bunte Dose mit den Worten: „They are the best“ in die Hand.“

Als Christian abends in der Gemeinschaftsküche, die etwas klein ist, die Dose neben den Herd stellt, hat er auf einmal die Kochinsel für sich allein. Alle anderen verlassen fluchtartig die Küche. Eine Deutsche fragt, ob das Fisch sei?

Die anderen Campinggäste glauben, dass es der schwedische vergorene Stinke-Fisch „Surströmming“ ist…. Und so haben wir die Kochstelle für uns. Die Fiskeboller sind ganz gut, aber wir nehmen jetzt keine Dose davon mit nach Hause.

Am nächsten Morgen geht es zur Walbeobachtung von Whale2Sea. Dieser Anbieter führt die Walsafari mit kleinen offenen Schlaubooten durch. Dann reißt bei Christian die Stimmung doch langsam um. Wir bekommen coole Überlebensanzüge, Automatik-Schwimmwesten und eine Sicherheitseinweisung, die es in sich hat. Dann geht es auf die Schlauchboote, angetrieben von 2 * 400 PS Außenbordmotoren, einem deutschen Käpt’n, amazing Daisy, der norwegischen Walforscherin, die vom Norwegerpulli bis zur Haarfarbe alle Norwegenklischees erfüllt. Mit drei Booten, die beiden äußeren peilen die Wale mit Richtmikrofonen an, geht es auf die Suche. Das „Jagdfieber springt auf alle Teilnehmer:innen über und wir rasen mit voller Kraft über das arktische Meer. Ziel ist ein bis zu 2000 m tiefer Meeresgraben, in dem Wale nach Kalmaren jagen. Nach langer Suche haben wir einen Pottwal gefunden. Die Klicklaute, mit denen er seine Beute lokalisiert hören wir über die Unterwassermikrophone. Die Funksprüche des Kapitäns: „800 m direction 15 degree“ schallen über die Boote. Dann wird wieder beschleunigt, abgebremst, gehört. Uns wird langsam kalt, Christian hat seine Handschuhe in der Station gelassen und die Hände fangen langsam an zu schmerzen. Die Gischt, die immer wieder über das Boot peitscht, macht es nicht gemütlicher. Auch die fortschreitende Zeit lässt die Hoffnung auf eine Walsichtung sinken. Der Pottwalbulle, laut sonar 17 m lang, kann bis zu 2 h unter Wasser bleiben.

Dann als wir die Hoffnung schon aufgeben wollen, ruft Daisy: „there he is, look how beautiful he is…“, zahlreiche amazings folgen. Dann sehen wir als erstes den Blas, das Gemisch aus Luft und Wasser, was er beim Ausatmen ausstößt. Nach und nach realisieren wir wie unglaublich groß das wunderschöne Tier ist (vier Meter breite Fluke), wie elegant, schnell und ruhig es neben uns schwimmt. Es hat etwas Magisches. Dann taucht der Wal ab und wir sehen seine Fluke. 

Senja

Auf der Fähre nach Senja, die nächste Insel, treffen wir Jonas. Er ist auch mit dem Rad unterwegs und wir sind ganz interessiert an seinen Hobbys und beruflichen Tätigkeiten. Er hat eine fotografische Ausbildung und studiert derzeit Biologie. Er hat schon als Jugendlicher mit dem Fotografieren angefangen, reist gerne und fängt dabei Landschaften und Tiere in ihrem Lebensraum ein. Ganz spannend ist die Geschichte zu seinem Tiger-Foto in Nepal. Monatelang war er mit einem einheimischen Guide unterwegs, um den Tiger aus nächster Nähe vor die Linse zu bekommen. Bei Instagram findet ihr ihn unter folgendem Link mit einer Auswahl von tollen Tierfotos und Landschaftsaufnahmen.

https://instagram.com/heimbachjonas?igshid=MzRlODBiNWFlZA==

Gleich nach der Fähre übernachten wir auf einem süßen Platz, der für Wander:innen und Radelnde angelegt ist, zusammen mit Jonas, Ariana aus Italien und Quentin aus Frankreich. Christian kümmert sich um das Lagerfeuer. 

Die Fahrt über Senja mögen wir sehr: es ist endlich wieder weniger los und landschaftlich super. Einzig eine Baustelle mit kilometerlangem weichem Schotterbelag ärgert uns. 

Der letzte Radltag nach Tromsø fordert uns: viele Höhenmeter, das  Durchradeln ohne Pausentag sitzt uns in den Gliedern, Wetterumschwung: Nebel, Kälte.

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